Neues zur Entziehung der Fahrerlaubnis

| Mehrere Gerichte haben sich aktuell mit Themen rund um die Entziehung der Fahrerlaubnis
beschäftigt. |


Regelmäßige Einnahme von Cannabis
So hat der Bayrische Verwaltungsgerichtshof (BayVGH) entschieden: Die regelmäßige Einnahme
von Cannabis hat nach der Rechtslage vor dem 1.4.24, also vor Inkrafttreten des Gesetzes
zum Umgang mit Konsumcannabis (KCanG) ohne das Hinzutreten weiterer Umstände im Regelfall
die Fahreignung ausgeschlossen. Eine Rückwirkung der für den Fahrerlaubnisinhaber
günstigeren Neuregelung auf sog. Altfälle hat der Gesetz- und Verordnungsgeber nicht vorgesehen.
Sie ist im Hinblick auf die Rechtmäßigkeit der bisherigen Regelung auch nicht verfassungsrechtlich
geboten.


Wann ist ein medizinisch-pyschologisches Gutachten beizubringen?
Der BayVGH hat ebenfalls entschieden: Die Fahrerlaubnisbehörde muss anordnen, dass ein
Fahrerlaubnisinhaber ein medizinisch-psychologisches Gutachten beibringen muss, wenn er
ein Fahrzeug im Straßenverkehr mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,6 ‰ oder mehr oder
einer Atemalkoholkonzentration von 0,8 mg/l oder mehr geführt hat. Dies gilt nicht nur für eine
Fahrt mit einem Kraftfahrzeug, sondern auch für eine Fahrt mit einem nicht motorisierten
Fahrzeug, also auch bei einer erstmaligen Trunkenheitsfahrt mit einem Fahrrad und auch für
ein Pedelec, weil dieses einem Fahrrad rechtlich gleichgestellt ist.


Eignungsmangel bei Schlafapnoe?
In einem weiteren Fall des BayVGH ging es um ein obstruktives Schlafapnoe-Syndrom. Das ist
eine schlafbezogene Atemstörung, bei der es während des Schlafs wiederholt zur Verringerung
oder dem kompletten Aussetzen der Atmung durch eine Verengung des Rachenraums kommt.
Hat ein solches Syndrom auch ohne Behandlung keine starke Tagesmüdigkeit zur Folge,
begründet dies keinen Eignungsmangel als Fahrzeugführer und kann keine Kontrollauflage
rechtfertigen.


Blutalkoholkonzentration über 1,6 Promille
Schließlich hat der BayVGH noch festgestellt: Es entspricht gesicherten Erkenntnissen der
Alkoholforschung, dass Betroffene mit Blutalkoholkonzentrationen ab 1,6 Promille über deutlich
abweichende Trinkgewohnheiten und eine ungewöhnliche Trinkfestigkeit verfügen. Neben
stationären Therapien kommen auch ambulante Maßnahmen von 24 Wochen, ganztägige ambulante
Maßnahmen in Tageskliniken an Werktagen über einen Zeitraum von acht bis sechzehn
Wochen und stationär-ambulante Kombinationstherapien als Entzugsbehandlung in Betracht,
nicht aber die stationäre Entgiftung und Nachsorgekontakte, die sporadisch stattfinden und der
Rückfallprophylaxe dienen.


Folgen einer Diabetes-Erkrankung
Das Verwaltungsgericht (VG) München hat entschieden: Ergeben sich Zweifel an der Fahreignung
des Fahrerlaubnisinhabers aus einer feststehenden insulinbehandelten Diabetes-Erkrankung
mit einer reduzierten Hypoglykämiewahrnehmung und überdies aus einer Polyneuropathie
mit einer leichtgradigen Gangunsicherheit und einer eingeschränkten linken Fußhebung,
kann die Verwaltungsbehörde die Fahrerlaubnis entziehen.

Keine Entlastung wegen behaupteter verwirrender Beschilderung
Die Beschilderung mit einer Geschwindigkeitsreduzierung auf 60 km/h und einem Überholverbot
für Lkws und Busse ist nicht „verwirrend“. Wer Verkehrsschilder nicht versteht oder verstehen
will, handelt vorsätzlich, da er sich bewusst und gewollt gegen die Rechtsordnung stellt.
Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main hat die Rechtsbeschwerde des Betroffenen
gegen eine Geldbuße über 900 Euro sowie ein dreimonatiges Fahrverbot daher verworfen.


Der Betroffene ist vom Amtsgericht (AG) Fulda wegen fahrlässiger Überschreitung der zulässigen
Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 86 km/h zu einer Geldbuße
von 900 Euro verurteilt worden, verbunden mit einem dreimonatigen Fahrverbot. Er befuhr
die Autobahn mit 146 km/h. Im Bereich einer LKW-Kontrolle war aus Sicherheitsgründen die
Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h reduziert und ein Überholverbot für LKW und Busse angeordnet
worden. Die Anordnungen erfolgten über sog. Klappschilder, die bereits vorbereitet an
der Autobahn angebracht sind und im Bedarfsfall ausgeklappt werden.


Das OLG hat die eingelegte Rechtsbeschwerde des Betroffenen zurückgewiesen und die Schuldform
auf eine „vorsätzliche“ Begehung umgestellt. Ohne Erfolg berufe sich der Betroffene auf
eine „völlig verwirrende Beschilderung“, so das OLG. Es sei nicht ersichtlich, was im Hinblick
auf die – mit Lichtbildern dokumentierte – Beschilderung der Anordnung der Geschwindigkeitsreduktion
und des Überholverbots konkret verwirrend sein solle. „Dass der Betroffene bereits
diese einfache und klar verständliche Anordnung nicht versteht, begründet kein(en) Verbotsirrtum,
wie die Verteidigung vorträgt, sondern lediglich die Notwendigkeit der Überprüfung, ob der
Betroffene nach eigenem Bekunden noch kognitiv in der Lage ist, weiter am Straßenverkehr
teilzunehmen“, so das OLG. Nach der Straßenverkehrsordnung sei zudem der, der „etwas nicht
versteht“ und sich damit in einer „unsicheren und ungewissen“ Verkehrssituation befindet,
ohnehin zu ständiger Vorsicht und gegenseitiger Rücksichtnahme verpflichtet.


Wer – wie hier – genau das Gegenteil tue, indem er 146 km/h statt 60 km/h fahre, handele auch
vorsätzlich. Er entscheide sich bewusst und gewollt dazu, die Regelungen und die Verkehrssituation
zu ignorieren. Damit stelle er sich mit Absicht gegen die Rechtsordnung und gefährde
bewusst und gewollt andere allein um des eigenen schnelleren Fortkommens willen.


Gründe, ausnahmsweise von einem Fahrverbot abzusehen, lägen hier nicht vor. Die Entscheidung
ist nicht anfechtbar.


Nutzungsausfall: Wenn der HU-Termin sechs Monate überzogen war
Ein Anspruch auf Ersatz von Mietwagenkosten kann nicht allein wegen eines überschrittenen
Vorführtermins zur Haupt- und Abgasuntersuchung bei dem unfallbeschädigten Pkw abgelehnt
werden. Die Nutzung eines verkehrssicheren Pkw mit ungültig gewordener Prüfplakette ist nur
rechtswidrig, wenn eine Behörde den Betrieb des Fahrzeugs untersagt oder beschränkt hat.
Das hat jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) klargestellt.


Im Fall des BGH war die Pflicht zur termingerechten Hauptuntersuchung sechs Monate überschritten.
Doch für den BGH war dies nicht ausschlaggebend. Entscheidend war vielmehr, dass
das Fahrzeug verkehrssicher war. Denn nur ein verkehrsunsicheres Fahrzeug darf per se, also
unabhängig von einer Hauptuntersuchung, nicht benutzt werden. Feststellungen zur Verkehrssicherheit
des verunfallten Fahrzeugs vor dem Unfall wurden in dem Verfahren nicht getroffen.
Allein der Umstand, dass die Plakette abgelaufen war, genügte jedoch nicht, die Erstattung der
Mietwagenkosten abzulehnen.