Fahrverbot

Blasenschwäche schützt bei Geschwindigkeitsüberschreitung i.d.R. nicht vor Fahrverbot

Wer infolge einer schwachen Blase plötzlich starken Harndrang verspürt und deswegen die zulässige Höchstgeschwindigkeit so überschreitet, dass nach der Bußgeldkatalogverordnung (BKatV) ein Regelfahrverbot zu verhängen ist, ist regelmäßig auch mit dem Fahrverbot zu belegen. Ob die durch eine Blasenschwäche hervorgerufene Situation ausnahmsweise ein Absehen vom Fahrverbot rechtfertigt, hat der Bußgeldrichter im Einzelfall festzustellen.

Auf diese Rechtslage hat das Oberlandesgericht (OLG) Hamm hingewiesen. Der Betroffene hatte die außerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit um 29 km/h überschritten. Dafür erhielt er eine Geldbuße von 80 EUR. Außerdem verhängte die Behörde ein einmonatiges Fahrverbot, weil der Betroffene bereits vier Monate zuvor eine ähnliche Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hatte.

Der Betroffene trug vor, dass er nach einer Prostataoperation nur noch über eine eingeschränkte Kontinenz verfüge. Er habe während der Fahrt einen starken, schmerzhaften Harndrang verspürt. Daher sei er nur noch darauf fokussiert gewesen, „rechts ran fahren“ zu können. Aufgrund des dichten Verkehrs auf der Bundesstraße habe er allerdings zunächst keine Gelegenheit zum Anhalten finden können. Das Amtsgericht sah in dieser Argumentation keinen Grund, vom Fahrverbot abzusehen.

Mit seiner Rechtsbeschwerde war der Betroffene – vorläufig – erfolgreich. Die Richter am OLG haben das Urteil aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Die Begründung des angefochtenen Urteils sei mangelhaft. Es sei in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein sehr starker Drang zur Verrichtung der Notdurft, der durch eine besondere körperliche Disposition des Betroffenen bedingt und der ursächlich für die Geschwindigkeitsüberschreitung sei, einen Grund darstellen könne, vom Regelfahrverbot abzusehen. Dies sei aber keineswegs der Normalfall. Ein bestimmter körperlichen Zustand reiche noch nicht aus. Das würde dem Betroffenen einen „Freibrief“ für pflichtwidriges Verhalten im Straßenverkehr geben. Dieser müsse vielmehr seine Fahrt entsprechend planen. Er müsse gewisse Unwägbarkeiten (wie etwa Stau, Umleitungen etc.) in seine Planungen einstellen. Zudem müsse er entsprechende Vorkehrungen treffen oder ggf. auf anfänglich aufgetretenen Harn- oder Stuhldrang rechtzeitig reagieren, damit ihn ein starker Drang zur Verrichtung der Notdurft nicht zu pflichtwidrigem Verhalten verleite. Ausgehend hiervon müsse der Bußgeldrichter die näheren Umstände einer solchen Fahrt auch bei seiner Entscheidung abwägen. Das sei im vorliegenden Urteil nicht erkennbar gewesen.

Bei der erneuten Verhandlung müsse der Tatrichter die Umstände berücksichtigen, unter denen sich der Betroffene zu der Fahrt entschlossen habe. Er müsse klären, wie der Betroffene auf seinen Harndrang während der Fahrt habe reagieren können. Weiter müsse er prüfen, ob das Auftreten eines dringenden Harndrangs eine Situation sei, in welche der Betroffene häufiger komme. In diesem Fall müsse er sich hierauf entsprechend einstellen. Es würde das Maß seiner Pflichtwidrigkeit geradezu erhöhen, wenn er gleichwohl ein Fahrzeug führe, obwohl er wegen quälenden Harndrangs so „abgelenkt“ gewesen sei, dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit nicht mehr habe beachten können.